Heiße Quellen und Soldaten

Mazedonien. Schlagartig ändert sich das Landschaftsbild auf mittleren osteuropäischen Verschmutzungsgrad. Wir fühlen uns gleich wohler. Was die Sauberkeit eines Landes ausmacht merken wir erst jetzt.

Abends sind wir schon in Griechenland und schlafen an einem Fluss mit Lagerfeuerstellen – ein perfekter Ort für uns und alle Wohnmobilisten. Nächsten Tag lernen wir die griechische Gastfreundlichkeit kennen. In einem Imbiss gibt uns der Besitzer einen aus. In einer heißen Quelle in Loutra Eleftheron hoffen wir zu entspannen, doch die Kinder machen uns einen Strich durch die Rechnung. Ihnen ist’s zu heiß. Trotzdem fühlen wir uns wie neugeboren. Wir können sogar unsere Wasserkanister mit frischem Bergquellwasser betanken. Nachts passieren wir die überraschend schwer bewaffnete Grenze zur Türkei und lassen uns bei einem kleinen Fischerhaus in einer geschichtsträchtigen Gegend, der Halbinsel Gallipoli zur Nacht nieder.

Ein Vorgeschmack

Wildes Treiben um uns herum. Viele Autos, Mopeds, Fahrräder, selbstgebaute Fahrräder mit Motoren, skurrile Fahrunterteile fahren an uns vorbei. Es fasziniert. Und es riecht nach Abenteuer. Erstmalig hören wir morgens den Muezzin – exotisch. Niklas saß fast den ganzen Tag am Netz und regelte alle Angelegenheiten für uns. Am Ende sollten wir nicht einmal etwas bezahlen. Danke, Fußball!

Wir fahren Abends weiter nach Tirana. Die Straße weitet sich auf dreispuriges Niveau. Das ist sie aber nicht, denn Fahrbahnmarkierungen gibt es nicht. Wahrscheinlich deshalb, weil davon ausgegangen wird, dass es nun genug Platz auf der Straße gibt, auf dem sich die Autos unfallfrei verteilen dürfen. Etliche Autos ohne Rücklichter fahren an uns vorbei. In unserer Unkenntnis über dieses Land, seiner Menschen und ihrer Mentalität sind wir uns unschlüssig, ob die toten Rücklichter Absicht oder Ignoranz sind. Auf jeden Fall ist es erst einmal erschreckend urplötzlich ein Fahrzeug vor sich zu sehen. Wir werden uns daran gewöhnen, daran, dass die Straßen keine Fahrbahnmarkierungen haben, dass die Scheinwerfer der Entgegenkommer uns direkt ins Gesicht leuchten und Straßenschilder mehr Staffage als ernstzunehmende Hinweise sind und besonders gern Geschwindigkeitsschilder als Zielscheiben für spaßsuchende Jungalbaner dienen. Woran wir uns aber nicht gewöhnen sind die Schlaglöcher. In einem solchen Fall steigt dann der Adrenalinpegel – umsonst, denn durch … – ist durch. Und hoffentlich ist nichts durch. Unsere Mobilie wiegt knappe vier Tonnen. Da bleibt nicht viel Federweg. TÜV gibt es hier eh nicht, und die Polizei verdient sich nicht ihr Taschengeld mit solch unwichtigen kaputten Rücklichtern, sondern mit üppigen Geschwindigkeitskontrollen am liebsten dort, wo eh nicht klar ist wie schnell man fahren darf. Wunderlich ist die Fülle an Tankstellen (alle 2 bis 3 km) mit immer wieder neuen Logos und Firmen. Sie sind neu, palastgroß und blenden. Hat dieses Land keinen Schienenverkehr? Dazwischen: Liegengebliebene LKW, ganze LKW-Friedhöfe direkt an der Straße, Hotels, Schaufensterhäuser (vorzugsweise mit Hochzeitsmode und Einrichtungsgegenständen wie Sofas, Teppichen etc. bestückt) und immer wieder Bauruinen. Uns bleibt das alles unbegreiflich. Wir denken an Mafia. Immerhin, Italien ist gerade mal 72 km quer über die Adria entfernt und die Zahl an Autos mit italienischen Kennzeichen groß.

Als vierköpfige Familie produzieren wir täglich mindestens eine Einkaufstüte Müll, die entsorgt werden will. Nach Mülltonnen müssen wir stets Ausschau halten. Hier ist unsere Suche jedoch vergeblich, dafür (oder deshalb) überall Dreck und Müll auf den Straßen, Flüssen, Feldern, Wiesen. Mittendrin Menschen, die da im Müll wühlen, Kühe, die dort zwischen Müll grasen. Es stinkt. Exkremente und Abwässer werden auf die Straße geleitet. Das alles hat einen Hintergrund: Armut und Bewusstlosigkeit. Ein Gefühl der Unsicherheit beschleicht uns, denn nun sind wir die Reichen, die Besitzenden. Und wer im Vergleich zum Anderen besitzt muss um seinen Besitz fürchten. Der Kontrast zwischen arm und reich ist auffallend. Vielleicht wirkt das so, weil hier Reichtum stark nach außen getragen wird, die Armen wiederum zu arm sind, ihre Armut zu kaschieren. Neu und Alt, Reich und Arm stehen hier Rücken an Rücken und sehen sich doch täglich ins Gesicht. Nachbildungen echter Ritterburgen mit Sicherheitsanlage und Wachpersonal neben abgewrackten Behausungen, die mit auseinandergefalteten Blechkanistern und Folie geflickt sind.

Albanien, das Schmutzland, der Wilde Osten, die Umweltschweine, ein Land im ständigen Auf- und Niedergang, das im Müll erstickt. Wie wunderschön es sein könnte. Albanien scheint der erste Vorgeschmack auf das zu sein, was uns auf unserer Reise noch erwartet.

Auf dem Weg ins Abenteuer

In den nächsten zwei Tagen sehen wir Trogir und Dubrovnik. Wir schlafen direkt über der Stadt am Berghang. Der Blick hinunter übertrifft bisher alles vorher gesehene.

Fazit Kroatien. Schöne Küste, trotz optischer Verschmutzung, an der Küste nervig touristisch ausgebaut, Lebensmittel teuer, viele westliche Geschäfte.

Weiterfahrt durch Montenegro nach Albanien. In Montenegro haben wir zum ersten mal das Gefühl, es wird abenteuerlicher. Das Leben findet hier immer mehr auf der Straße statt. Straßenschilder fehlen teilweise. Hier wird gebauwütet.

Erstmalig bekommen wir Probleme an der Grenze zu Albanien. Sie wollen die notarielle Einverständniserklärung von Elias Vater sehen, dass Elias in das Land einreisen darf, denn Elias trägt den Nachnamen seines Vaters! Damit haben wir nicht gerechnet. (Eventueller Hintergrund: Der Großteil der Bevölkerung sind muslimische Sunniten.) In Deutschland wurde mir erklärt, dass Elias Pass ausreiche, da für seine Beantragung der Vater bereits sein Einverständnis erteilt hat. Vorsorglich haben wir jedoch eine separate Einverständniserklärung vom Vater unterschreiben lassen. Doch an einen Notar haben wir nicht gedacht. Trotz ausführlicher Recherche sind wir auf keinen solchen Hinweis gestoßen. Nach einem freundlichen Gespräch dürfen wir trotzdem passieren, allerdings mit dem Hinweis, dass es an den weiteren Grenzen Schwierigkeiten geben wird. Das nehmen wir zur Kenntnis und fahren weiter. Wir denken, bis in die Türkei werden wir auch so kommen. Der Iran macht uns Sorgen.

Es ist Nacht in Albanien. Wir halten an einem kleinen Internetcafé in der nächstgrößeren Stadt (Shkodër) an und fragen nach Internet per WLAN. Dieses gibt es nicht, doch wir können unseren Laptop per Kabel anschließen. Der junge Besitzer ist zu uns überaus freundlich wie noch nie erfahren auf dieser Reise. Das rührt daher, weil wir aus dem Land, wo der Fußball und FC Bayern München zu Hause sind, kommen. Dass wir absolute Fußballnieten sind, interessiert ihn nicht. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, schlafen neben einer Moschee.

Bei Gloria

Mittags erreichen wir Zadar und schauen uns die Altstadt an. Am Abend sind wir in Vodice und dürfen den Luxus eines kleinen Häuschens mit Dusche, Badewanne, Küche und Waschmaschine genießen. Hab vielen Dank Gloria!

Highlight des nächsten Tages sind drei kleine Schildkröten, die Elias im Garten gefunden hat. Die kleinste muss er natürlich (vorübergehend ;-)) für immer behalten. Und ein tolles Insekt, die „Tausendfüßlerspinne“.

An den Krka-Wasserfällen lässt Elias mit einer dicken Träne seine Schildi, wie er sie getauft hat, wieder frei. Nach einem kleinen Spaziergang durch die wundervolle Natur müssen wir auf Druck Elias nun endlich dort hinfahren, wo wir ein Feuer machen können. Unser erstes Feuer und es sollen noch viele weitere folgen…

Hallo, Kroatien!

Heute um 8 Uhr kamen wir an die Grenze zu Kroatien. Erstmals werden unsere Pässe kontrolliert. Elias ist schon total aufgeregt. Er möchte nun endlich an das so lang versprochene Meer. Wir nächtigen in einer kleinen Fischersiedlung mit vielleicht 8 Häusern.

In Slowenien

Nachmittags passieren wir die Grenze zu Slowenien. Wir spüren, je mehr Grenzen wir passieren, desto intensiver stellt sich das Gefühl der Fremde ein. Die Straßen werden schlechter, im Rundfunk ist eine neue Sprache zu hören. Es schneit! Uns begegnen satte, junge mit Schnee bedeckte Blätter. Trotzdem taut es und der Schnee fällt in fetten Fladen auf unsere Frontscheibe. Die Wolken hängen in den Bäumen. Wir befinden uns auf 1200m Höhe.

Deutschland, Good bye!

Auf durch Österreich! Aber jede Autobahn vermeiden – unser Navi (Garmin nüvi 3970) macht’s möglich.

Zweiter Versuch

Juhu, wir fahren erneut los und das im Eiltempo. Es kann nicht schnell genug gehen. Obwohl das Quatsch ist, weil wir trotzdem brav sparsam im LKW-Tempo, also ca. 85 km/h fahren.

Zurück nach Berlin

Eine gute Nachricht. Wir haben erfahren, dass für die Einreise in den Iran ein Carnet de Passages nicht zwingend nötig ist. Wir werden sehen was an dem Tipp, über Armenien einzureisen, dran ist. Es scheint erst einmal ein Problem weniger zu sein.

Dafür eröffnet sich uns (wie so oft) ein neues Problem: Wir haben die internationale Zulassung vergessen und müssen in Leipzig zur Zulassungsstelle. Dort heißt es zurück, zurück nach Berlin zur Berliner Zulassungsstelle.

Wir schlafen direkt bei der Zulassungsstelle – der falschen (Kreuzberg), fahren zur richtigen und bekommen prompt die Zulassung. Das nächste Problem lässt nicht lang auf sich warten: Die Kühlwasserdichtung ist undicht. Das heißt, einen Tag unterm Auto im Dreck liegen.

Es geht los

Nach Tage langen Wartens und Hausens als Nomaden in unserer eigenen Stadt, mehr oder weniger neben unserer eigenen Wohnung soll es heute endlich los gehen. Die Nerven liegen blank. Alles ist aus dem Gleichgewicht geraten. Auf nach Leipzig – unsere erste Station.